Im Gespräch mit...

Im Gespräch mit… Sara Kulka

26. Oktober 2018

Sara Kulka kennst du vielleicht aus dem Fernsehen. Vielleicht aber auch nicht. Sie hält die Eröffnungsrede des Attachment Parenting Kongresses, bei der sie sehr aufgeregt, aber auch sehr authentisch auf der Bühne steht, auf ihrem T-Shirt steht in großen Buchstaben BE YOU. Sie ist Model, jetzt gerade aber vor allem Mama, und wir haben uns über Kindergarten, Schule, das kritische Umfeld und ein gesundes Bauchgefühl unterhalten. 

Was ist das Wichtigste, was du deinen Kindern mitgeben willst?

Liebe. Ich möchte meinen Kindern in erster Linie Liebe mitgeben. Und sie sollen auch wissen, dass es ok ist, Nein zu sagen. Wir leben in einer Ja-Sager-Gesellschaft, und wer gegen den Strom schwimmt, wird ausgeschlossen. Ich finde es so wichtig, Nein zu sagen.

Wie vermittelst du ihnen das im Alltag?

Indem sie zum Beispiel Nein zu mir sagen dürfen, und ich das akzeptiere! Das bedeutet nicht, dass ich meinen Kindern gegenüber verantwortungslos werde, also zwei Wochen lang Nein zum Zähne putzen geht zum Beispiel nicht. Aber es gibt ganz viele Kompromisslösungen, ich kann auch auf Augenhöhe mit meinen Kindern gehen und ihnen liebevoll begegnen.

Sie lernen es auch, indem sie sehen, dass ich Nein sage. Ein Nein muss klar sein und kann dennoch gesagt werden, ohne dass man aggressiv oder abwertend sein muss.

Wie bist du zu dieser Haltung gekommen? War dir schon immer klar, dass du Erziehung gegen Beziehung eintauschen willst?

Ich wollte es alles ganz anders machen, ich wollte ein perfekt erzogenes Kind und nur ein halbes Jahr stillen. „Zuckerbrot und Peitsche“ sagt man ja, das wollte ich auch so machen, sehr konservativ und alles nach Plan. Dann kam meine erste Tochter zur Welt. Als ich sie zum ersten Mal in den Armen hielt, habe ich ihre Liebe gespürt, und dann war für mich intuitiv klar, dass wir unseren Weg gehen werden.

Das klingt ein bisschen so, als wäre in diesem Moment ein Schalter bei dir umgelegt worden?

Ja, das war genau so. Während der Schwangerschaft hatte ich noch nicht diese Gefühle. Die waren in der Sekunde da, als ich sie gehalten und kennengelernt habe. Ich habe überhaupt keine Erwartungshaltung mehr an sie gehabt, ich habe nur noch Liebe gespürt und wollte für sie da sein.

Du hast dir ja dann aber nicht alle Bücher von Susanne Mierau, Nora Imlau & Co gekauft und gedacht, gut dann lebe ich jetzt bindungsorientiert mit meiner Familie. 

Nein, gar nicht.

Wie war denn dein Alltag?

Ich glaube mein Mutterinstinkt hat mir alles Wichtige gesagt. Es ist ok, dass mein Kind ständig bei mir ist, und dass ich lange stille. Es hat sich für mich richtig angefühlt, ohne dass ich wusste, dass es dafür einen Namen gibt. Im Gegenteil habe ich eher das Gefühl von meinem Umfeld bekommen, dass es nicht richtig ist, was ich tue. Sie meinten, ich verwöhne und verhätschle mein Kind, was mir dann wiederum auf  der Nase tanzen wird. Aber für mich hat es sich einfach so gut und richtig angefühlt.

Für mein Umfeld habe ich dann Dinge gemacht, die sich für mich nicht richtig angefühlt haben. Zum Beispiel mein eineinhalbjähriges Kind zum Teilen zu animieren, weil man ja teilen muss, oder das Kind laufen zu lassen, obwohl es in den Kinderwagen wollte. Das hab ich dann für mein Umfeld gemacht gegen mein eigentliches Gefühl.

Ihr betreut eure Kinder nicht außerfamiliär bis jetzt. Darf ich dich fragen, was dein Plan für die Zukunft ist? Es ist ja nicht mehr so lange hin, bis die Schulpflicht beginnt?

Ja… gute Frage. Zwei gute Gründe zum Auswandern wären auf jeden Fall das Wetter und vor allem die Flucht vor dem Schulsystem. Mir fällt es nach wie vor schwer zu glauben, dass sich jemand vor mich stellt und mich als Mutter entmündigt und mir erzählt, wie ich mein Kind zu bilden habe.

Für mich wäre die Waldorfschule die einzig denkbare Möglichkeit. Da finde ich sehr vieles gut, und vor allem den Gedanken, die Klasse ist so stark wie ihr schwächstes Glied. Außerdem gibt es dort einen Zusammenhalt, und keiner wird aussortiert nach Leistung.

Menschen, die bewerten wie du singst, wie du malst, wie du dein Gedicht schreibst… Das möchte ich nicht.

Wie reagiert dein Umfeld darauf, dass deine ältere Tochter nicht im Kindergarten ist?

Sie reagieren mit OH MEIN GOTT, wieso tust du das? Aber keiner fragt, was sie möchte. Jetzt ganz aktuell ist es so, dass sie ganz gerne in den Kindergarten möchte, und jetzt suche ich auch einen Platz für sie.

Ich war auch nicht im Kindergarten, ich bin in Polen ohne Kindergarten groß geworden, es waren sehr viele Kinder um mich herum, und das war die schönste Zeit in meinem Leben. Und als ich dann in die Vorschule gekommen bin, war es der Horror für mich. Und ganz ehrlich, ich kenne niemanden, der gerne zur Schule gegangen ist.

Und ja, ich weiß und sehe auch, dass es Familien gibt, denen die Fremdbetreuung gut tut und diese Bildung „von außen“ hilft. Aber eben nicht jedem.

Ich glaube auch, dass es in Zukunft ein Bildungssystem geben soll, bei dem alle vorkommen. Auch die Familien und jungen Menschen, die du beschreibst. Aber vor allem ein System, bei dem die Eltern und die Kinder selbst entscheiden können, was für sie das Beste ist. Und nicht ein Staat das für alle bestimmt. 

Für mich zum Beispiel ist die größte Bildung das Reisen. Man hat versucht mir 10 Jahre lang Englisch in der Schule beizubringen, es ist nichts hängen geblieben. Als ich aber 3 Monate in Amerika war, habe ich es sehr sehr schnell gelernt.

Ja, da hattest du dann eine persönliche Motivation. Dank Gerald Hüther wissen wir ja jetzt auch, wie unser Gehirn funktioniert, und was wir brauchen, um zu lernen. 

Ja, und in den Schulen wird Wissen ins Kurzzeitgedächtnis eingetrichtert, und es bleibt nicht sehr viel davon hängen.

Ich bin sehr gespannt, wie ihr diesen Weg weiter verfolgen werdet. Und ich glaube, du bist für sehr viele Leute ein Vorbild. Hoffentlich kannst du auch an dieser Stelle viele Menschen zum Nachdenken anregen.
Zum Abschluss würde ich gern von dir wissen, wie du mit deinem Umfeld umgehst, was dein Handeln als komisch oder falsch empfindet? So geht es, glaube ich, zahlreichen Müttern und Vätern und auch Pädagog*innen. Hast du vielleicht Methoden entwickelt, wie du damit innerlich umgehst?

Ich habe dadurch auch Freundinnen verloren. Ich merke einfach, dass Menschen sich unwohl fühlen, weil sie denken, dass ich sie beurteile. Aber so bin ich gar nicht. Ich lebe anders als sie, und das Einzige, was ich mache, im Privaten wie im Öffentlichen zu sagen: Schau – so mach ich das! Ich will niemanden überzeugen, aber so sein und handeln dürfen, wie es sich für mich gut und richtig anfühlt.

Vielen Dank, liebe Sara, für deinen Einsatz!!


In den Formaten, in denen Sara im TV zu sehen war, hat sie eine Rolle gespielt, so erzählt sie zu Beginn in ihrer kleinen Rede. „Heute bin ich, ich selbst“, sagt sie, steht mit ihrem BE YOU T-Shirt dort vorne und wirkt wirklich mit sich völlig im Reinen.

Durch ihre Bekanntheit erreicht sie viele Eltern, die die übliche Bindungs- und Beziehungsszene sicherlich nicht erreicht. Sara berichtet, dass sie sich oft wie eine Außerirdische vorkam, weil sie Bindung und Beziehung zu ihren Kindern groß schreibt. Dieses Gefühl kennen vermutlich viele Eltern und auch Pädagog*innen, wenn sie eigentlich ganz natürlich und bedürfnisorientiert agieren. Als sie wusste, dass sie nicht die Einzige ist, die so handelt, fühlte sie sich endlich nicht mehr allein und außerirdisch.

Und diese Botschaft gilt es, immer wieder zu streuen. Du bist nicht allein. Hör weiterhin auf dein Herz und dein Bauchgefühl. Auch wenn du die Einzige in deinem Team bist, wir sind viele. „Ihr macht die Welt ein Stückchen besser!“ appelliert Sara an die 650 AP Kongress Besucher*innen. Und da kann ich mich nur anschließen.

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Ich durfte dieses Jahr mit Weleda den Attachment Parenting Kongress genießen. Vielen Dank!! Daher wird dieser Beitrag auch hiermit als Werbung deklariert. Weleda setzt sich für eine bindungsorientiert Elternschaft ein! 

Foto1+3 by Sara Kulka

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